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Vollmond-Tiere

  • Autorenbild: Chrischa Oswald
    Chrischa Oswald
  • 14. Juli 2022
  • 1 Min. Lesezeit
Notiz


Über Nacht kamen die Pferde, mit wehenden Mähnen. Na gut, vielleicht nicht über Nacht, aber vor ein paar Tagen waren sie noch nicht da gewesen. Nach der Nacht mit dem Super-Vollmond, den man hier in der Stadt nicht zu Gesicht bekam, waren sie auf jeden Fall da. Nach der Nacht, in dem ich von einem fliegenden Fisch geträumt hatte, der Menschen anfiel und sich mit seinem Mund an sie heftete. Er hatte sich mit einem großen Satz aus dem Gebüsch auf mich gestürzt, sich an meinen Arm festgesaugt und rief: "Ich saug dich aus, ich saug dich aus". Die Dreiviertelstunde im Schwimmbecken der Militärakademie, in der ich mehr Zeit unter als über Wasser verbrachte, tauchte auch der Fisch immer wieder in meinen Gedanken auf. Ich schüttelte ihn, wie auch im Traum, mehrere Male erfolgreich ab und formulierte dann den Einkaufszettel für später, überarbeitete den Plot meines Buches noch einmal. Das ging erstaunlich gut im Wasser. Viele Bahnen starrte ich aber schwimmend nur auf das Blau der Fliesen und die Fugen, die ein großes, kariertes Blatt aus dem Becken machten. Viele Bahnen atmete ich einfach nur. Ein und aus. Unter Wasser gleiten, Luft holen, unter Wasser gleiten. Luft holen.


Am Nachhauseweg fielen mir auf einmal die weißen Farbspuren an der Wand auf, die sonst nur aus einem Flickenteppich diverser Rottöne bestanden hatte. Irgendwann erkannte ich, dass es mehr als weiße Schlieren waren. Ich ging ein paar Schritte von der Mauer weg, um sie aus der Distanz besser betrachten zu können. Da waren sie: Pferde, mit wehenden Mähnen. Ich beschloss, mit ihnen davon zu galoppieren.


Der Fisch konnte mich mal.



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